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Wie baut man klimagerecht?

Der Klimawandel ist in aller Munde. Dass Bauen diesbezüglich relevant ist, wissen wir seit langem; unter anderem deshalb ist das energieeffiziente Bauen schon so etabliert. Vor 25 Jahren wurden noch über 40% der gesamten Endenergie dafür verwendet, Räume warmzuhalten. Dieser Anteil ist im Lauf der Zeit ein Stück kleiner geworden – zum einen, weil sich der energetische Standard im Mittel effektiv verbessert hat, zum anderen und hauptsächlich aber, weil andere Bereiche der Treibhausgasemissionen stark zunahmen.

Bezieht man die gesamten Emissionen Deutschlands auf die einzelne Person, kommen wir derzeit auf etwa 12 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr (in weiterer Folge einfach „Tonnen“). Wobei hier „importierte“ Emissionen, also solche, die andernorts entstanden, aber hier in Form von eingeführten Produkten verursacht werden, berücksichtigt sind. Auf das private Bauen und Wohnen entfallen davon „nur“ 2,5 Tonnen. Davon wiederum 1,3 Tonnen für die Beheizung. Das ist relativ wenig (11%), absolut aber immer noch viel: Soll das 2-Grad-Ziel gehalten werden, müssen die Pro-Kopf-Emissionen innerhalb der nächsten 25 Jahre auf EINE Tonne gesenkt werden. Nicht nur für die Heizung, nicht nur für das private Bauen, nicht nur für das Bauen überhaupt, sondern insgesamt. Vom Fleischkäse bis zum Fliegen, vom Hotel bis zum Hundefutter, vom Spritverbrauch bis zur Sparkassen-Klimatisierung.

Die mehr als 90%ige Reduktion betrifft nicht nur alle Lebensbereiche sondern erfordert auch die Kombination mehrerer paralleler Reduktionsstrategien. Wird im Zusammenhang mit der Energiewende hauptsächlich von den Erneuerbaren gesprochen, legen wir „Passivhäusler“ den Schwerpunkt auf die Effizienz. Der Lebensstil – die Suffizienz – wird, wenn überhaupt, als Alternativ-Strategie betrachtet. Dabei sind unbedingt alle drei Strategien zu verfolgen, um die erforderliche Reduktion überhaupt erreichen zu können. Mit Effizienz und Erneuerbaren alleine wäre es beispielsweise nicht möglich, die Emissionen aus der Landwirtschaft (Methan und Lachgas) adäquat zu reduzieren.

Aber zurück zum Bauen. Die 2,5 Tonnen des Sektors Privates Bauen und Wohnen gliedern sich auf in: 0,3 Tonnen für die Errichtung und Instandhaltung, 1,3 Tonnen für die Beheizung, 0,3 Tonnen für die Warmwasserbereitung und 0,6 Tonnen für den Haushaltsstrom. Nach wie vor liegt der größte Hebel also bei der Heizenergie – würden wir aber nur den Heizwärmebedarf um 90% reduzieren, wäre der Sektor Bauen und Wohnen noch nicht mal halbiert. Effizienz hilft auch beim Warmwasser (von 0,3 auf 0,1) und bei den Haushaltsgeräten (von 0,6 auf 0,3).

Bei der Errichtung spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Großvolumige Gebäude, also z.B. Mehrfamilienhäuser können ressourcenschonender realisiert werden als kleinvolumige, weil die ressourcenintensive Außenhülle weniger Anteil einnimmt. Bei Einfamilienhäusern „auf der grünen Wiese“ kann zudem der Erschließungsaufwand überborden. Am meisten wird mit der Materialwahl bewirkt: Ein Holzleichtbau kann um den Faktor 3 besser abschneiden als ein Massivbau. Diese Aspekte sind bereits ein Mix aus den Strategien Lebensstil und (Material-)Effizienz. Und eine Frage des Lebensstils ist es auch, wieviel Fläche wir für uns beanspruchen. Der derzeitige Schnitt liegt bei etwa 45 m² pro Person; im Einfamilienhaus in der Regel mehr, im MFH weniger. Wer aber alleine in einer 90 m² großen Singlewohnung lebt, verbraucht zunächst einfach mal die doppelten Ressourcen.

Trotz aller Bemühungen – um mehr als zwei Drittel werden sich die Emissionen mit dem bisher Beschriebenen nicht reduzieren lassen. Für den Rest müssen Erneuerbare her. „Alles Strom“ ist hier seit Längerem die Devise. Naheliegend, weil Wind und PV im Vormarsch sind und fast schon dieselben Gestehungskosten aufweisen wie die fossilen Mitbewerber. Wärmepumpen-beheizte Gebäude weisen zudem den Vorteil auf, dass sie netzdienlich wirken: Je mehr fluktuierende Erneuerbare wie Wasser, Wind und Sonne zum Einsatz kommen umso mehr gewinnt intelligentes Lastmanagement an Bedeutung. Smart Grid ist bereits Realität – liefert der Energieversorger ein Signal „Überschuss-“ oder „Billigstrom“ vorhanden, wird der Raumsollwert um 1-2 Grad angehoben und die Wärmepumpe speichert die Energie in der Gebäudemasse. In Neubauten kann der Effekt durch Betonkernaktivierung erhöht werden, wobei dafür etwas mehr Ressourcen in die Errichtung gesteckt werden müssen. (Die gesamthafte ökologische Optimierung der Masse im Gebäude wäre im Übrigen ein interessantes Forschungsprojekt.) Der Trend, den Heizenergiebedarf verstärkt durch batteriegestützte PV-Anlagen abzudecken ist hingegen wenig erfolgversprechend: zu diskrepant die Angebots- und Nachfragekurven von Solarenergie und Heizwärmebedarf. Außerdem werden die wertvollen Rohstoffe für den massiven Ausbau der Elektromobilität benötigt. Im Gebäude sollten Lithium-Ionen-Batterien allenfalls als Second-Life-Anwendungen zum Einsatz kommen.

Wärmepumpen bieten noch einen weiteren Vorteil: Sie sind in ihrer Effizienz skalierbar. Je nachdem, wie einfach oder aufwändig das System gestaltet wird, können Jahresarbeitszahlen von 2,5 oder auch 5 erreicht werden. Das ist insbesondere darum ein Vorteil, weil damit auch Gebäude, die – aus welchen Gründen immer – nicht optimal gedämmt werden konnten (denkmalgeschützte Sanierung, Verkaufslokale mit großen Glasflächen, etc.), auf dasselbe Emissionsniveau gebracht werden können wie Passivhäuser. In der Regel wird es gesamthaft sinnvoller sein, den Heizenergiebedarf auf 15 kWh/m²a zu reduzieren und eine sehr einfache, kostengünstige Wärmepumpe – z.B. eben mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5 – einzusetzen. Gebäude mit 35 kWh/m²a (und demselben Warmwasserbedarf) benötigen ein aufwändiges System mit Tiefenbohrung, leistungsgeregelter Wärmepumpe, großflächiger Niedertemperaturheizfläche und auch noch eine kleine Solaranlage, um dieselbe Performance zu erreichen. Aber es ist möglich.

Für einen sehr großen Teil unserer Gebäude stellt die Wärmepumpe somit die richtige Technologie dar. Gegen einen flächendeckenden Einsatz – also „Alles Strom“ – sprechen aber einige Gründe. Erstens steht uns ein großes Abwärmepotenzial aus der  Industrie und auch aus der Müllverbrennung zur Verfügung, das effizient genutzt werden will. Die Verteilung über Nah- und Fernwärmenetze bietet sich an, wo diese Energien zur Verfügung stehen – vorwiegend im urbanen Raum. Zweitens muss Biomasse künftig primär zur Stromerzeugung verwendet werden: der einzige erneuerbare Energieträger, der bereits in gespeicherter Form vorliegt. Der Einsatz als Spitzenstromlieferant reduziert den Speicherbedarf elektrischer Energie in Form von neuen, aufwändigen Technologien (z.B. Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse mit Rückverstromung mittels Brennstoffzelle) auf ein Minimum. Bei der Verstromung der Biomasse entsteht aber zwangsläufig Abwärme, die in Form von Kraft-Wärme-Kopplung ebenfalls dort genutzt werden sollte, wo sie anfällt – in kleinen bis mittelgroßen Städten, wo die Biomassenutzung logistisch noch sinnvoll ist, gleichzeitig aber kleine Quartiere über Nahwärmenetze versorgt werden können. Die Zwischenspeicherung der Wärme – in Form von großvolumigen, wärmegedämmten Wassertanks – kann in solchen Systemen an Bedeutung gewinnen, weil die Biomasse-KWK stromgeführt betrieben wird.

Immer noch viel zu tun also. Aber wo wären wir nur ohne das Passivhaus…

 

Artikel erschienen im Passivhaus Kompendium 2019

https://www.verlagsprojekte.de/newsreader-passivhaus/jetzt-lieferbar-passivhaus-kompendium-2019.html

Dieser Artikel bezieht sich auf folgenden Online Fachvortrag: